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VERFEMT und VERTRIEBEN Hallenser Kunst der 50er Jahre – Malerei und Papierarbeiten


VERFEMT und VERTRIEBEN Hallenser Kunst der 50er Jahre – Malerei und Papierarbeiten

Hermann Bachmann (1922-1995), Kurt Bunge (1911-1998), Charles Crodel (1894-1973), Erwin Hahs (1887-1970), Herbert Kitzel (1928-1978), Ulrich Knispel (1911-1978), Fritz Rübbert (1915-1975) und Jochen Seidel (1924-1971)

Als mit dem Ende des Krieges und dem Untergang der braunen Machthaber neue Hoffnung aufkam, die geschmähte Kunst wieder in geistiger Freiheit und Autonomie auszuüben, formierte sich in Halle um die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein ein Kreis bewährter Persönlichkeiten und nachstrebender Talente mit hohem schöpferischen Potenzial und individueller Kreativität. Die von den Nazis vertriebenen Lehrer Hahs und Crodel nahmen ihre Ämter wieder auf, repräsentierten beste Maltraditionen der Moderne zwischen subtiler Koloristik, feinsinniger Dekorativität und beherrschter Abstraktion und begeisterten die Jüngeren. Bunge, Knispel und Rübbert hatten schon vor 1945 studiert, wurden nun aber auch maßgeblich vom jungen Malerei-Autodidakten Bachmann zu einem künstlerischen Neubeginn und einer sich zunehmend gemeinschaftlich ausprägenden Bildsprache inspiriert. Hinzu kamen einige Jüngere die nun an der Burg studierten, hier vertreten von dem so begabten Kitzel und Seidel. Über die frühen 50er Jahre trugen sie dazu bei, dass sich die Hallesche Malerei auf unverwechselbar eigenständige Weise zur Geltung brachte und sich von anderen deutschen Kunstzentren abhob.

In einem expressiven Grundgestus fand Bachmann nach seiner Rückkehr für die Bewältigung seines vom Kriegserlebnis bestimmten Schicksals gleichnishafte Bildgestalten, die sich in ähnlich kraftvollen Formulierungen in den Stadtrandbildern und Ostseereflexionen um 1950 fortsetzten. Nachdem er 1953 Halle fluchtartig ins offene West-Berlin verlassen musste, drängte es ihn später zu stärkerer Abstraktion. Aber noch in den 70er Jahren hatte er gerade in seinen Erinnerungsbildern an die Hallesche Landschaft das so charakteristische Graukolorit beibehalten. Diese reich entfaltete Grau Tonigkeit gewann in den frühen 50er Jahren auch bei den Malerkollegen Knispel, Seidel vor allem aber bei Kitzel und dem hier nicht vertretenen Sitte sinnbildhafte Bedeutung als Reflex auf das triste Nachkriegsleben in den geschundenen Städten. Zirkusleute, Harlekine und Gaukler geistern durch die surreal anmutenden Bildwelten.

Doch die Zuversicht auf den Fortgang des unangepassten eigenen künstlerischen Weges, frei von   doktrinärer Gängelung, war bald gebrochen. Die parteipolitisch inszenierte „Ahrenshoop er Bilderschelte“ nach einer Ausstellung mit Ergebnissen des pleinair-Sommers traf exemplarisch Knispel, der 1951 als Dozent für das Grundlagenstudium an der Burg erstes Opfer der rigiden und diffamierenden Formalismus Kampagne wurde. Damit wurde die Zukunft zu Grabe getragen, und der Exodus der prägenden Lehrerpersönlichkeiten und der nachgewachsenen Talente begann. 1951 floh Knispel mit einer Aktentasche unterm Arm nach West-Berlin, Crodel folgte einem Ruf nach München, Bachmann, Rübbert und Seidel verließen Halle 1953 und 1958/59 gingen Kitzel und Bunge nach den sich erneut verschärfenden kulturpolitischen Anfeindungen. Erwin Hahs, von den Nazis bereits 1933 aus dem Amt vertrieben, wurde als Professor für Malerei an der Burg zunehmend angefeindet und ausgegrenzt. Nach seiner Emeritierung 1956 zog er sich in die innere Emigration nach Zernsdorf bei Berlin zurück.

Der vielversprechende Ansatz zu einer selbstbestimmten Malerei, traditionsbewusst und zeitkonform gleichermaßen, wurde von einer abwegigen, stalinistischen Kulturpolitik erstickt. Für viele blieb nur der oft ungewollte, schmerzliche Ausweg in den Westen und damit auch der erzwungene Verlust ihrer künstlerischen Heimat.                                                                                               Joachim Pohl / Berlin, März 2020

In freundlicher Zusammenarbeit mit dem Kunstarchiv Joachim Pohl / Berlin.

Eröffnung:       Sonntag, 21. Juni 2020 / 16 Uhr

Rede:               Joachim Pohl

Musik:            N.N.

Begrüßung:      Jörg Zieprig, Klosterscheune Zehdenick

Fritz Rübbert, Strand Ahrenshoop, Öl/ Leinwand, um 1950

Fritz Rübbert, Strand Ahrenshoop, Öl/ Leinwand, um 1950

Kurt Bunge, o.T./ Fischergeräte, 1960, ÖL/ Hartfaserplatte

Kurt Bunge, o.T./ Fischergeräte, 1960, ÖL/ Hartfaserplatte

Jochen Seidel, Saalelandschaft bei Halle, Öl/ Carton

Jochen Seidel, Saalelandschaft bei Halle, Öl/ Carton