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Vernissage: Bärbel Bohley


Bärbel Bohley: Jeder ist jeder.

Das künstlerische Werk von Bärbel Bohley. Eine Werkschau.

Herzliche Einladung zur Eröffnung am Sonntag, den 12. Mai 2024 um 15 Uhr 

Mit einer musikalischer Begleitung von Conny Bauer und Louis Rastig, Berlin.


Bärbel Bohley

12.5.-7.7. 2024

Klosterscheune Zehdenick

 

Ich möchte als Ganzes gesehen werden – aber meine Bilder sollen als Bilder betrachtet werden. Kunst ist für mich der Versuch eines utopischen Entwurfs vom Leben. (Bohley, 1990)

Warum gibt es diese Ausstellung?

Der 35 jährige Jahrestag der Revolution in der DDR war nicht der Anlaß, sonder Zufall. Die politische Akteurin Bärbel Bohley steht nicht im Vordergrund der Idee zu dieser Ausstellung, auch wenn wir ein Rahmenprogramm rund um die Geschehnisse im Jahr 1989 in der DDR entwickelt haben.

Natürlich haben wir Bärbel Bohley im Zusammenhang mit der samtenen Revolution kennengelernt und wissen sowohl von der Bewunderung als auch der emotionalen Ablehnung für sie. Aber fast alle eint, dass sie das künstlerische Werk von Bärbel Bohley nicht kennen. Uns hat seit 1989 die Frage interessiert, was Bärbel Bohley eigentlich gemalt hat.

Warum finden wir kein Werk von ihr in Ausstellungen, Museen oder in Katalogen? Warum verweigert sich der Ausstellungsbetrieb ihr Werk zu zeigen? Wieso wird sie als Künstlerin von einigen Kuratorinnen negiert?

Dabei wäre sie eine ideale Künstlerin in den zahlreichen Ausstellungen und Artikeln gewesen, die vor einigen Jahren sich mit den abgebrochenen Karrieren von Künstlerinnen beschäftigt hatten. Bärbel Bohley,  hat nur wenige Jahre als Malerin gearbeitet und radikal ihre künstlerische Karriere beendet.  

Die am 24. Mai 1945 in Berlin geborene Bärbel Brosius hatte eine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen und studierte von 1969 bis 1974  Malerei an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Sie selbst äußerte sich zu diesem Studium:

Warum ich Künstlerin werden wollte, das hatte was mit dem Wunsch nach Freiraum zu tun, weil die Kunst in der DDR noch ein Freiraum sein konnte. (Bohley 2010)

In den Folgejahren hatte sie einige Ausstellungen, vor allem Beteiligungen an Gruppenausstellungen, und Preise erhalten. Ihr letztes künstlerisches Werk entstand für eine Grafik-Mappe im November 1989, handschriftlich mit Kreide auf schwarzem Papier: »Manchmal ist Kunst abwesend!«

Im Nachlass von Bohley befinden sich viele Blätter, die noch keinen gefestigten, routinierten Stil zeigen, wie es der Kunstmarkt und Museen erwarten. Diese fordern nicht das Forschen, sich an Technik und Themen herantastende, sondern den Wiedererkennungseffekt, der das Werk von anderen auf den schnellen Blick unterscheidbar macht. Bohley hat sich dem verweigert und ihr Leben lang gesucht, probiert.

In dieser Ausstellung sind verschiedene Aspekte ihres Werks vereint.

Die Druckgraphik, die teilweise in Folge ihrer Studienreise in die UDSSR entstand, zeigt ihr Interesse an Größen wie Beckmann mit seiner starken Figurenumfassung, erinnern aber auch an die düstere Welt von Alfred Kubin. Aber auch Zille, Otto Nagel und Lea Grundig haben sie beeinflusst. Menschen in Gruppen. Milieustudien. Das Zeigen des Individuellen in einer Gruppe. Dazwischen immer wieder der einzelne, isolierte Mensch, der auf sich zurückgeworfen ist, allein in der Welt steht, sitzt, liegt. Die Kritik an der Gesellschaft, die man Bohley aufgrund ihrer Biographie sofort unterstellen möchte, kommt hier verhalten, verdeckt vor. Doch muss man feststellen, optimistisch wirken ihre Arbeiten nie, obwohl dies doch von Künstlerinnen erwartet wurde.

Was in ihrem gesamten Werk fehlt ist die Architektur, die Landschaftszeichnung, das Stillleben. Sie verweigert sich den Dingen und auch der Natur. Selbst bei den ganz wenigen Beispielen, als sie ein Tier zeichnete, nutzt sie diese als Stellvertreter.

Auch in ihren Zeichnungen stehen die Menschen im Vordergrund. Die Aktzeichnung spielt eine große Rolle. Dies mag eine Folge ihres Studiums sein, als man dies noch von Studentinnen verlangte. Aber Bohley geht es nicht um Naturalismus. Sie will nicht technisch brillieren und den Betrachter mit einem Fotorealismus, wie er in den 70er Jahren modern war, blenden. Sie will verschiedene Techniken und Wirkungen ausprobieren. Sie ist dabei durchaus dem Zeitgeist nahe. Zum einem war in der DDR der Expressionismus eine Möglichkeit, sich den künstlerischen Forderungen des sozialistischen Systems zu verwehren. Denn der Expressionismus gilt den individuellen Gefühlen, einer inneren, zerrissenen Welt voller Widersprüche. Der Expressionismus zeigt Emotion, er widmet sich nicht Heroen. Als so problematisch aktuell der Expressionismus rezipiert wird, so sehr war er in den 70er und 80er Jahren eine Möglichkeit, sich als Künstlerin einem System zu verwehren, dass das Individuelle ablehnte. Die Künstler der DDR standen mit ihren Rückgriff auf den Expressionismus im übrigem nicht alleine da. Im Gegenteil, jenseits der Mauer feierten die Neuen Wilden mit neuer gestischer Malerei wieder das Individuelle, das Emotionale und das Körperliche zur gleichen Zeit, als Bohley ihre expressiven Aktstudien machte.

Es gibt nur wenige Porträts, die sie gezeichnet hat. Zum Beispiel von ihrem Sohn Anselm, in denen eine sehr intime Mutter-Sohn Beziehung zum Ausdruck kommt. Aber das, was Bohley wirklich interessierte, ist der Körper. Bohley steht auch hier nicht isoliert in der Kunstwelt. Ihr Weg wirkt, im Vergleich zu anderen Künstlern ihrer Generation, auf den ersten Blick tradierter. Anders als die Autoperforationsartisten von Carla Mosch in Dresden oder Jiri Kovanda in Prag, um nur zwei zu nennen, erprobte sie sich nicht in Performances, die das sozialistische Körperbild und die Normen des Verhaltens im öffentlichen Raum in Frage stellten. Der Körper war für Bohley, anders als für die Wiener Aktionisten oder gar Orlan, kein zu zerstörendes Arbeitsmaterial, sondern Studienobjekt.

Aber stimmt dieser konservative Blick auf ihr Werk, wenn man sich auf ihre Zeichnungen konzentriert? Wir glauben nicht. Denn Bohley entpuppt sich in den wenig erhaltenen Gemälden und in einer Reihe von Überresten von Malperformances als eine Künstlerin, die den Körper nicht nur als Objekt sah, sondern mit vollem Körpereinsatz malte. Sie malt mit Fingern, tanzt in der Farbe, schmiss diese um sich, spritzte herum.

Die großen Männer des abstrakten Expressionismus wie Jackson Pollock, der seine Farbe auf den Boden spritzte, Franz Kline, der in wilden Gesten die Farbe dick auf die Leinwand fetzte oder Willem de Kooning, mit seinen harten, wilden Pinselhieben, fallen uns ein. Kazura Shiraga ist nicht zu vergessen, der mit seinen wild gestischen Relikten seiner Malperformances bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

Doch Bohley setzte, abgeschnitten von vielen dieser heutigen Kunstmythen, ihre eigenen Akzente. Sie fand in tachistischer Maltechnik einen ganz eigenen Ausdruck und man wünscht sich auf jeden Fall mehr, viel mehr von diesen Bildern, die allesamt eine kurze Momentaufnahme einer Gefühlssituation waren.

Sie setzte hier einen feministischen Akzent in der Kunstgeschichte, denn das expressive, informelle und abstrakte, das rahmensprengende, war und wird noch immer dem Künstlermacho erlaubt und nicht einer Frau. Gerade in ihrer Bildserie an der Ostwand sind wir an frühe Arbeiten von Otto Mühl und seine Aktionaanalythische Organisation erinnert. Wilde Tänze, das Innere nach Außen tragend, den ganzen kunsthistorischen Kosmos, die akademischen Vorgaben überwindend, in den Dreck tretend, ein Individuum sein. In der relativen künstlerischen Isolierung der DDR zeigen sich hier einzigartige Bilder einer Frau, die sich ihres Körpers und ihres Lebens ermächtigt und einen ganz eigenen Weg sucht.

Zugleich entstehen intensive Farblandschaften, die einen eigenen Kosmos bilden, in die sich der Betrachter hineinvertiefen kann, in überlagernde Farbschichten und Farbexplosionen, die eine Künstlerin zeigen, wie man sie aus ihren Zeichnungen nicht unbedingt erahnen kann: Eine Künstlerin die die Grafik überwindet und die reine Malerei verfolgt.

Diese Bilder sollten in keiner Ausstellung zu körperbezogenen, expressive- gegenstandlosen Malerei fehlen und zeigen uns, welch große Künstlerin Bärbel Bohley war, wenn sie nicht selbst beschlossen hätte, mit dem Malen aufzuhören.

Aber auch diesen Akt der Verweigerung, zollen wir höchsten Respekt. Nicht nur, dass wir das berühmte Schweigen, also die Verweigerung der Produktion von Kunst, von Marcel Duchamp für eines der wichtigsten Kunstwerke der gesamten Kunstgeschichte halten, sondern vor allem der Mut einer Frau, auf Geld und die Befriedigung von Eitelkeit durch die Anerkennung als Künstlerin zu verzichten und zu sehen, wo ihr eigentlichen Stärken sind, gehört unsere Bewunderung.

In einem Vorgespräch zur Ausstellung sagte Anselm Bohley, dass seine Mutter, wir versuchen das sinngemäß wiederzugeben, die Idee des Runden Tisches, das Zusammenbringen von Menschen, um etwas zu bewegen, als ihr eigentliches Kunstwerk angesehen hat. Uns beschäftigt diese Aussage sehr. Wir sind mit Joseph Beuys als den Überhelden der westlichen Kunst aufgewachsen und müssen über ihn sagen, im Vergleich zu Bohley ist er doch ein gescheiterter Künstler, denn er konnte von der Produktion von verwertbarer Kunst nicht lassen und was hat er tatsächlich politisch und sozial erreicht.  

Hier muss und soll man Bohley als Künstlerin vollkommen neu entdecken. Nicht nur als Politikerin und Menschenrechtlerin, die mit vielen anderen unser Leben zum positiven verändert hat, sondern als Vorbild für alle aktivistischen Künstlerinnen heute.

 

Spunk Seipel,

Mai 2024

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